21.12.2011
Allen meinen Lesern wünsche ich erholsame Feiertage und ein gutes neues Jahr 2012.
Unser Wunsch, dass Behörden und Gerichte „ bürgerfreundlich " denken und entscheiden, wird im Bereich „Ausländer- und Asylrecht" leider wohl nicht ganz in Erfüllung gehen.
Denn zu oft wird zu wenig differenziert: ja, selbstverständlich gibt es Fälle, in denen Behörde und Gerichte aufgrund der Gesetzeslage negativ entscheiden müssen; an manchen Stellen ist auch der Gesetzgeber gefordert, das Gesetz zu verbessern.
Aber : sehr oft entscheiden Behörden und Gerichte im Rahmen der gültigen Gesetze zu sehr am negativen Ende des eigenen Spielraums - so hat man jedenfalls den Eindruck.
Da geht es oft mehr um die Durchsetzung von Abschottung und Abschiebung „ um jeden Preis " (oft als stillschweigende allgemeine Handlungslinie innerhalb einer Behörde oder eines Gerichts) als um humanitäre Erwägungen. Menschliche Belange bleiben leider zu oft auf der Strecke.
So will zum Beispiel der Gesetzgeber ausdrücklich, dass die sogenannte „zweite Generation" hier eine Chance haben soll, auch wenn die „erste Generation" (also die Eltern, die oft vor zwanzig oder mehr Jahren hier illegal mit den Kindern einreisten oder später wurden die Kinder hier geboren) Fehler gemacht hat.
Behörden und Gerichte legen bei der 2. Generation nach meiner Erfahrung jedoch zu strenge Maßstäbe an. Oft liegt es auch am Gesetz: so ist es nicht verständlich, warum es der im Jahr 2011 neu in Kraft getretene § 25a AufenthG Heranwachsenden nur bis zum 21. Lebensjahr erlaubt, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, auch wenn sie mit ihren Eltern illegal eingereist waren.
Was geschieht mit denen, die genauso lange in Deutschland leben, einen Schulabschluss haben, hier gross geworden sind, aber 22 oder 23 Jahre alt sind?
Auch im Visumverfahren werden menschliche Schicksale zu selten respektiert.
Es stellt sich doch schon von vorneherein die Grundsatzfrage, warum es der Obrigkeit, dem Staat, erlaubt sein soll, mir vorzuschreiben, in welcher Sprache ich die Ehe führen soll ?
Sie glauben es nicht ? So aber ist die Gesetzeslage: Ihr künftiger Ehepartner soll bitte vor der Einreise nach Deutschland Deutsch lernen! Ist das nicht eine absurde, unmenschliche Bestimmung seitens der Obrigkeit? Kann sich der Staat nicht vorstellen, dass Deutsche eine Ehe eventuell auch in einer anderen Weltsprache führen wollen? Warum genügt es nicht, dass mein Ehepartner zu mir nach Deutschland reisen darf und dann hier innerhalb von ein, zwei Jahren Deutschkurse besucht? Wie absurd dieses Gesetz ist, zeigt sich schon daran, dass es Ausnahmen gibt: und zwar für EU-Bürger, die in Deutschland leben!
Dieser Personenkreis (EU-Bürger, die in Deutschland leben) braucht für seinen zuziehenden Ehepartner gerade keinen Sprachnachweis der Stufe A1.
Das nennt man „ Inländerdiskriminierung ", also Diskriminierung von Deutschen.
Eine weitere Ausnahme regelt das Gesetz für Akademiker. Die benötigen auch keinen Deutschtest. Da werden also andere Bevölkerungskreise erneut diskriminiert, nämlich diejenigen, die nach Ansicht der Obrigkeit nicht genügend Bildung haben.
Oft denke ich mir, ich wünschte dem einzelnen Beamten oder Richter, der über solche Visumverfahren entscheidet, dass er (sie) sich auch mal selbst in jemanden verliebt, der nicht aus der EU stammt. Und dann wünsche ich mir zum frohen Fest, dass dieser Beamte oder Richter von seinen Berufskollegen den gleichen strengen Maßstab auferlegt bekommt wie in allen anderen Fällen auch. Würde der Beamte oder Richter sich dann nicht wünschen, seine Berufskollegen würden doch in seinem Fall mal eine Ausnahme machen? Vermutlich gelingt es ihm auch, denn er braucht ja nur auf dem „kleinen Dienstweg" ein Telefonat zu führen und auf den § 16 Abs. 5 AufenthG und ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen, wonach in Ausnahmefällen vom Sprachtest abgesehen und ein Visum zur Durchführung eines Sprachkurses in Deutschland erteilt werden kann. Ich wette, in den meisten Fällen benötigt ein solch verliebter Beamter oder Richter daraufhin keinen Anwalt, um seine Nicht-EU-Verlobte nach Deutschland zu holen. Oder wir hoffen auf den Alternativverlauf: der verliebte Beamte oder Richter bemerkt plötzlich aufgrund eigener Erfahrung, wie unmenschlich sein bisheriges Handeln war, und gönnt fortan den Bürgern, zu deren Leben er entscheiden soll, die gleiche vom Gesetz erlaubte Vergünstigung.
Ein schönes Fest noch.
Rechtsanwalt Christopher Sprung